Einführung
Alles nur Krach?Wo Schrott auf Tonalität trifft
Von Marie Stapel und Sara Minoris
Die Suche nach dem...
Station 1: Der Schrottplatz
Zum Anfang Zum AnfangStation 2: Musikinstrumente aus recycelten Gegenständen
Flaschen, Flaschen, Flaschen!
Eilig folgen wir einem Mann in kurzer Hose und grauem T-Shirt, vorbei an Stühlen mit leicht kratzigem Bezug und über einen roten Teppich. Hin und wieder hallt das Herunterknallen einer schweren Metallkiste durch die alte Fabrikhalle und übertönt das Klirren von Glas und vereinzelte Melodiefetzen. Obwohl das Publikum noch gar nicht da ist, herrscht schon geschäftiges Treiben.
„Das ist unser Schlagzeug, das aus üblicher Schlagzeug-hardware besteht, aber mit einer Wasserspenderflasche“, erklärt uns Andreas Lubert von der Bühne herab. Er ist der Bandleader von GlasBlasSing, einer Band, die Musik nur auf Flaschen macht. An einem Sommertag treffen wir die Musiker beim Soundcheck in der Warsteiner Music Hall im Dortmunder Stadtteil Hörde und möchten uns von ihnen zeigen lassen, wie man aus Müll erfolgreich Instrumente herstellt.
Andreas „Endie“ Lubert
... ist der Bandleader von GlasBlasSing. Er dreht und ratscht an der Cokecaster und Doppelhalsgitarre.
Frank Wegner
... spielt mit dem Bass aus einem Wasserspender tiefe, schwingende Töne, die mit Blasflaschen allein nur schwer zu erzeugen sind.
Jan „Fritze“ Lubert
... ist gefühlt überall gleichzeitig auf der Bühne unterwegs und ploppt und bläst alle möglichen Flaschen.
David „Möhre“ Möhring
... sorgt mit dem Wasserspender-Schlagzeug für den Grundbeat der Band.
Die Bandmitglieder
Der Name spricht für sich: alle Mitglieder von GlasBlasSing
verstehen sich aufs Singen und aufs Musizieren mit Flaschen. Jeder der Musiker konzentriert sich dabei jedoch auf einen eigenen Aspekt der Pfandklangwelt.
Am Anfang war der Bierkasten„Alles, was tatsächlich Flasche genannt werden kann, ist für uns relevant!“ -- Andreas „Endie“ Lubert
Die Programme von GlasBlasSing sind humoristisch angelegt - das legen auch schon die Instrumentennamen schon nahe: Flachmanninoff, Jelzin-Orgel oder die Perrier-Keule. Humor steht in jedem ihrer Programme im Mittelpunkt und äußert sich z. B. in witzigen Songtexten. Auch wenn in diesem Zusammenhang Nachhaltigkeit eher eine untergeordnete Rolle spielt, steckt es dennoch im Konzept der Band, Alltagsgegenstände neu zu erfinden und sie aus anderen Blickwinkeln zu betrachten. Unter dieser Lebenseinstellung erscheinen Flaschen nicht nur als einfacher Verpackungsmüll, sondern als qualitativ gute Musikinstrumente.
Schlagzeug
Hergestellt wurde es aus Flaschen, vom Klang her ist es dennoch ein ganz normales Schlagzeug. Was dieses Instrument ausmacht, funktioniert eben prinzipiell auch mit einem Wasserspender, Plastikflaschen, etwas Schlagzeughardware und technischer Verstärkung. Die Fußmaschine, die auf den Wasserspender schlägt, ist zum Beispiel nicht aus Flaschen gemacht und wird zudem durch einen Tonabnehmer und ein Kondensatormikrofon für die tiefen Töne unterstützt. Im Vergleich zu der eines normalen Schlagzeugs stellt sie auch eine große Herausforderung dar, denn statt einer kleinen Kette ist ein Bowdenzug eingebaut, weswegen so richtig schnelles Spielen mit ihr nicht möglich ist. Die mit Reis gefüllte Flasche ergibt schließlich den klassischen Sound einer Snare. Ein wichtiger Unterschied ist auch, dass das Flaschenschlagzeug im Vergleich zu einem konventionellen im Stehen gespielt wird.
Spender-Jazz-Bass
-- Andreas „Endie“ Lubert
Der sogenannte „Spender-Jazz-Bass“ ist eine Erfindung des Bass-Gitarristen Frank Wegner und besteht aus einer Wasserspenderflasche mit etwa 20 bis 25 Liter Fassungs-vermögen. Von ihm aus erstreckt sich ein Bügel aus Holz und Metall, in dem eine Saite vom Boden des Spenders bis nach oben gespannt ist. Diese schwingt wie bei einem normalen Bass.
Gespielt wird mit einer kleinen Schnapsflasche, die an die Saite gehalten wird und so die Bünde erzeugt. Dadurch entstehen unterschiedliche Tonhöhen im Umfang von nicht ganz einer Oktave. Andreas Lubert möchte auf der Bühne nicht mehr auf den Bass verzichten, da ein tiefer, schwingender Ton, der eben nicht nur mit tief gestimmten Flaschen erzeugt wird, für die Band von grundlegender Bedeutung ist.
Cokecaster
Doppelhalsgitarre
irgendwelche Hendrix-Songs drauf
spielen...“ -- Andreas „Endie“ Lubert
Die Doppelhalsgitarre (deren Name
noch nicht endgültig feststeht),
besteht aus zwei Flaschen, die mit
einem Draht auf einer länglichen
Holzlatte fixiert sind. Die Band erzeugt
damit Töne, indem sie mit einer dritten
Flasche über die Drahtseile fährt.
Die beiden festgeschnallten Flaschen
dienen als Resonanzkörper, für einen
vollen Gitarrenklang wird das Instrument
verstärkt. Gestimmt wird es über zwei
Stimmschrauben, die mit dem Draht an
einem Ende der Holzlatte verbunden sind.
Flachmanninoff
kann da Sachen, die kann ich mir nicht vorstellen.“
-- Andreas „Endie“ Lubert
Der Flachmanninoff ist nichts anderes als ein Xylophon, das aus mehreren, mit einer unterschiedlichen Menge an Wasser gefüllten Jägermeisterflaschen besteht. Um Melodien von Mozart bis Bizet zum Klingen zu bringen, werden die kleinen Flaschen mit Schlägeln geklöppelt. Bandmitglied Möhre beeindruckt bei den Konzerten das Publikum mit seiner Schnelligkeit und ermöglicht mit diesem Instrument auch die Aufführung von filigranen klassischen Musikstücken.
Plopp-Flaschen
-- Andreas „Endie“ Lubert
Was als lustige Idee für ein Kennenlernspiel unter Musikern begann, in dem man über seinen eigenen Tellerrand schauen sollte, endete in einem feuchtfröhlichen Abend in einer Kneipe und letztlich im Karrierebeginn für GlasBlasSing. Als eine neue Runde Bier serviert wurde, steckte eines der Mitglieder einen Finger in die Flasche und ließ ihn zurückschnellen. Aus dem dazugehörigen „Plopp-Geräusch“ entschied die Band kurzerhand, das aus dem Jahr 1972 bekannte Synthie-Stück „Popcorn“ zu machen. Mit der Zeit begannen sie, gezielt nach weiteren Möglichkeiten zu suchen, auf den Flaschen Musik zu machen und ihr Tonspektrum stetig zu erweitern. Spezielle Daumen brauche man zum Spielen der Plopp-Flaschen zwar nicht, sagt Andreas Lubert, aber dafür ein starkes Gespür fürs Team...
Blasflaschen
das in sich keinen Sinn macht.“ -- Andreas „Endie“ Lubert
Gerade bei den Blasflaschen sei man nur gemeinsam das Instrument, wie der Bandleader uns erklärt. Das erfordere vor einem Konzert ausgiebige gemeinsame Proben. Da die einzelnen Töne einer Melodie und der Begleitung eines Stücks zwischen den einzelnen Musikern verteilt werde, müsse man „ab einem bestimmen Punkt zusammen hören und organisch spielen“. Im Vergleich zum Musizieren auf normalen Instrumenten könne der Einzelne seine Tonfolge vom Ausdruck her nicht selbst gestalten. Dies geschieht dann vor allem im gemeinsamen Spiel.
Flaschensammelkiste
Wer mehr von GlasBlasSing hören möchte, kann auf ihrer Website nachschauen. Unter anderem gibt es dort im Downloadbereich Vorlagen, um zuhause selbst Flaschenmusik
machen zu können.
Station 3: Scrap 4 Beethoven
Recyceltes Hören
Freeze 4U alias Björn Frahm ist der Initiator des Projektes „Scrap 4 Beethoven“ und ein Düsseldorfer Singer-Songwriter, der sich in vielen Musikrichtungen zu Hause fühlt. Gemeinsam mit dem ABA-Fachverband realisiert er seit einigen Jahren viele musikpädagogische Projekte von Integration über LGBT bis hin zur Inklusion. Im Gespräch hat er uns unter anderem erklärt, warum er bei dem Projekt unbedingt die Hauptmelodie von Beethovens 9. mit Schrott aufführen wollte. (Das komplette Interview könnt ihr hier nachlesen.)
- Fragen an den Initiator des Projektes –Warum Beethovens 9.?
Beethoven vom Schrottplatz- Ein Türöffner zur Klassik?-
Station 4: Christoph Sietzen - Klangwerkskunst
Der Klangwerkskünstler„Als ich zum ersten Mal diese unglaublich feinen Klangflächen gehört habe, habe ich eine Gänsehaut bekommen.“ -- Christoph Sietzen, Perkussionist
(Das gesamte Porträt über Christoph Sietzen könnt ihr hier nachlesen.)
Ein Homeoffice-Interview
Von ihm wollen wir wissen, wie es eigentlich für ihn
als Interpreten war, aus Schrott Musik zu machen.
Über faszinierende Klangwelten
Wie war es für Sie als Interpret auf Schrott anstatt auf Schlagwerkinstrumenten zu musizieren?
Station 5: Cateura - Orchester
Schrottmusik als Chance„Die Welt schickt uns Müll, wir geben ihr Musik zurück“ -- Favio Chávez, Leiter des Recycled Orchestra in Asunción, Paraguay
Cateura
Die Kinder und Jugendlichen des Ortes haben wenig Chancen auf einen Ausweg aus dieser tristen Zukunftsperspektive. Musikunterricht kann sich dort niemand leisten.
Road to a better future
Zuletzt geriet Chávez jedoch zunehmend in die Kritik. Ehemalige Orchestermitglieder werfen dem Leiter vor, Spenden, die für das Projekt gedacht waren, unterschlagen zu haben.
Nichtsdestotrotz gilt das Orchester der recycelten Instrumente in Cateura als ein Vorbild für viele ähnliche Projekte in anderen Ländern.